pax christi verlieh "Preis für Zivilcourage" zum zweiten mal im April 2003

Auszeichnung ging an Günter Kohl und Werner Nagler
für ihr Projekt "Rechts-freier Raum"



Günther Kohl - Werner Nagler



Die beiden Preisträger sind Lehrer am Berufsschulzentrum Oskar-von-Miller in Schwandorf.

Nach Überzeugung der Jury ist das Projekt der beiden Preisträger eines der gelungensten Beispiele für politische Jugendbildung im bayerischem, ja im gesamten süddeutschen Raum. Ausgehend von einem ausgeprägten Problembewußtsein bezüglich der eigenen Einrichtung und ihres Klientels haben die beiden Pädagogen ein mehrphasiges Projekt gegen Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit entwickelt, das weit über ihren dienstlichen Auftrag als Lehrer hinausgeht.

Günter Kohl und Werner Nagler nahmen den rassistischen Brandanschlag eines früheren Schülers ihrer Einrichtung, bei dem vier Menschen starben, zum Anlass, die Themen Rassismus, Rechte Gewalt und deren gesellschaftliche und politische Grundlagen in einem Ganzjahresprojekt zu bearbeiten. Das Themenspektrum erstreckte sich dabei vom Schwandorfer Brandanschlag, über ethische, christliche und humanistische Wertebildung und der Beschäftigung mit dem jüdischen Glauben,bis zur Euthanasie im Dritten Reich. Dabei standen die einzelnen thematischen Elemente nicht als "notwendige" Einzelaspekte unverbunden nebeneinander, sondern wurden quasi mit den und aus den einzelnen Schülergruppen heraus entwickelt. Somit erlangte das Projekt seine eigene Dynamik.
Es ist besonders hervorzuheben, dass das Projekt nicht nur aus einem politisch korrekten, gesellschaftlichen Mainstream heraus entstanden ist, sondern äußerst reflektiert aus einer spezifischen Situation im eigenen Schul- und Lebensumfeld. Dabei ist es den Initiatioren mit einer erfreulichen Methodenvielfalt gelungen, aktuelle gesellschaftspolitische Befunde und Empfindungen im Jugendbereich über gruppenspezifische Aktions- und Ausdrucksformen zu thematisieren. Die beiden Lehrer bedienten sich dabei auch nicht der leider oftmals zu beobachtenden methodologischen Effekthascherei, sondern sie bezogen sich im Umgang mit Medien, Zeitzeugen und Workshops sehr sensibel auf den jeweiligen Gefühls- und Bewußtseinszustand der Schülerinnen und Schüler. Bemerkenswert und leider nicht selbstverständlich war bei dem Projekt, dass die Themenkomplexe "3. Reich" und "Konzentrationslager" nicht nur als platte moralische Negativfolie dienten, wie es bei vielen pädagogischen Maßnahmen leider vielfach zu beobachten ist. Die Schülerinnen und Schüler des Beruflichen Schulzentrums Oskar-von-Miller in Schwandorf entwickelten den Themenkomplex "Nationalsozialismus" dagegen quasi induktiv aus dem Projektverlauf. Zu den Besonderheiten des Projekts gehören auch der Besuch des von der Jugendtheatergruppe der Kolpingsfamilie Wolfsegg aufgeführte Theaterstück "Hass im Herzen", eine einwöchige archäologische Grabungsmaßnahme auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Flossenbürg und - im Rahmen einer ganztägigen Fortbildungsveranstaltung - ein Anti-Rassismus-Training für Lehrerinnen und Lehrer.
Das öffentliche Engagement der Preiträger ist nach Auffassung der Jury von besonderem Bürgermut gekennzeichnet. Es fördert den Aufbau einer offenen, gleichberechtigten und demokratischen Zivilgesellschaft'.

Die Preisträger sahen sich dabei persönlich in Verantwortung genommen für eine Situation, die eigentlich alle Bürgerinnen und Bürger angeht. Mit ihrem bewussten Hinsehen und ihrem politisch-moralischem Einspruch haben sie den Blick für die Probleme Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz geschärft und überraschende Lösungswege für diese Probleme aufgezeigt. Ihr Beispiel zeigt, dass Zivilcourage möglich ist und es fordert jede und jeden dazu auf, die eigene Haltung gegenüber Mitmenschen und Gesellschaft zu überprüfen und Partei zu ergreifen gegen Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Gefährdung der Zukunft. Wichtig war den Juroren auch, dass das Projekt nicht irgendwie abgeschlossen wurde, sondern von den Preisträgern aus eigener Überzeugung heraus gezielt fortgesetzt wird.


Die feierliche Preisverleihung an Günter Kohl und Werner Nagler fand im Rahmen eines Festaktes am 4. April 2003, dem Todestag von Martin Luther King im Diözesanzentrum Obermünster statt.

Laudatorin war die Polizeipräsidentin a. D. und ehemalige Toleranzbeauftragte des Landes Brandenburg Uta Leichsenring.

Der "Preis für Zivilcourage" ist mit 1000 Euro dotiert, die Preisplastik hat der Regensburger Künstler und ehemalige Leiter der Volkshochschule, Paul Winkler, entworfen.