Efrosinia Kirienko
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Mit beiden Kindern im Lager
Efrosinia Kirienko wurde 1918 geboren. Sie war bei Kriegsbeginn verheiratet und hatte zwei kleine Töchter. Ihr Mann ist als Pilot der Roten Armee bereits in den ersten Kriegswochen verschollen. Sevastopol wurde von schweren Kämpfen völlig zerstört und Efrosinia lebte mit ihren zwei Kindern in den Ruinen.

Ende April 1944 ging die junge Frau auf den Markt, um Schuhe gegen etwas Eßbares einzutauschen. Unterwegs wurde sie verhaftet und aufgefordert, sofort mit zur Sammelstelle zu kommen, um nach Deutschland zur Zwangsarbeit deportiert zu werden. Ihre Bitten und verzweifelten Erklärungen, sie hätte zu Hause zwei kleine Kinder, halfen nichts, sie wurde von einem deutschen Soldaten brutal zusammengeschlagen. Seitdem hört sie auf einem Ohr fast gar nicht mehr. Ohne zu ihren Kindern oder Nachbarn Kontakt aufnehmen zu dürfen, wurde Efrosinia zum Hafen gebracht, wo Tausende Zivilisten in Schiffe verfrachtet wurden. Ein schwerer Sturm verhinderte die Abfahrt, deshalb wurde die Abfahrt der Schiffe um einen Tag verschoben. Efrosinia wurde erlaubt, ihre Kinder sowie Proviant für den Transport zu holen.

Am nächsten Tag, dem 1. Mai 1944, trat sie zusammen mit mehreren Tausend Frauen und Kindern eine lange Schiffsfahrt nach Rumänien an. Im Unterdeck waren verwundete deutsche Soldaten versteckt, während die russischen Zivilisten als lebende Schutzschilde gegen die Angriffe sowjetischer Tiefflieger missbraucht wurden. Von 20 Schiffen kamen nur acht im rumänischen Konstanza an. Efrosinia und ihre Töchter Anna und Iraida mußten mit ansehen, wie die anderen Schiffe versenkt wurden. Eine Woche später wurde Sevastopol und die ganze Krim befreit. Doch Efrosinia hatte mit ihren Kindern noch fast ein Jahr Zwangsarbeit im Regensburger Messerschmitt-Werk vor sich.



In Viehwaggons wurden sie von Rumänien nach Regensburg deportiert. Für die zierliche junge Frau war die Arbeit in der Werkshalle zu schwer, ständig litt sie an Hunger. Iraida, die jüngere Tochter, ging manchmal heimlich betteln. Dabei kroch sie unter dem Stacheldrahtzaun durch und sprach deutsche Frauen an. Manchmal bekam sie Essen oder Lebensmittelkarten. Im April 1945 überlebte sie einen Bombenangriff, mußte aber mit ansehen, wie ihre beste Freundin, die vierjährige Lilia, von einem Bombensplitter getötet wurde. Das Bild kann Iraida bis heute nicht vergessen.
Nach ihrer Befreiung kehrte die Familie nach Sevastopol zurück. Den Kindern schärfte Efrosinia ein, niemandem zu erzählen, dass sie in Deutschland waren, denn nur so konnte Iraida später studieren. Efrosinia arbeitete in einer Fabrik, Anna zog nach Rußland und Iraida wurde Ingenieurin. Sie heiratete und bekam ihre Tochter Tanja. Heute lebt Efrosinia mit Iraida, Tanja und deren Tochter Kristina in einer Plattenbausiedlung in Sevastopol. Bis heute weiß die Familie nicht, was mit ihrem Vater geschehen ist.







Klavdia Kornienko
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„Die Ärztin im Revier rettete mir das Leben!“
Als der Krieg ausbrach, lebte die 1925 geborene Klavdia zusammen mit ihren Eltern in Dneprodzeržinsk (Ukraine). Ihre Mutter arbeitete als Krankenschwester, ihr Vater kam ein paar Wochen nach Kriegsausbruch bei einer Bombardierung ums Leben. 1941 beendete Klavdia ihre Ausbildung und begann ihre Arbeit im Krankenhaus. Täglich musste sie auf dem Weg zur Arbeit an Galgen vorbeigehen, an denen Hingerichtete mit einem Schild um den Hals hingen, auf dem „Kommunist“ oder „Jude“ zu lesen stand. Die 16-Jährige war Zeuge, wie deutsche Soldaten ins Krankenhaus einmarschierten und verletzte und kranke Partisanen und Juden umbrachten. Zusammen mit anderen Mitarbeitern brachte Klavdia gefährdete Patienten in private Häuser, wo diese Menschen versteckt werden konnten. 1942 trat sie zusammen mit mehreren Freunden einer Widerstandsgruppe bei und erfüllte kleinere Aufgaben. Sie sammelte Informationen über den Frontverlauf leitete sie weiter.

Anfang 1943 wurde sie bei der Bombardierung auf dem Bahnhof in Bagla verletzt. Klavdia verlor das Bewusstsein. Sie wurde als Verdächtige verhaftet und von der Gestapo so brutal zusammengeschlagen, dass ihr ein Kiefer zertrümmert und eine Niere verschoben wurde. Zusammen mit 30 weiteren Gefangenen wurde sie im Oktober 1943 zum Bahnhof getrieben und in einen Güterzug verfrachtet, dessen Ziel das KZ Mauthausen war. Klavdia nennt es heute nur noch „Mordhausen“. Sie wurde zur Nummer 35809 deklassiert und musste zusammen mit anderen Frauen im Kommando Rosa II arbeiten. Klavdia wurde von der schweren Arbeit krank, zwei ihrer Freundinnen aus Dneprodzeržinsk starben.

Als Klavdia dachte, sie würde es nicht mehr überleben, wurde sie nach Auschwitz abtransportiert. Das Tor mit der Überschrift „Arbeit macht frei“ und „Jedem das Seine“ kann sie bis heute nicht vergessen. Klavdias Nummer lautete dort 65 171. Eine ihrer Freundinnen fing an zu weinen und wurde brutal zusammengeschlagen, andere fielen hin und wurden zu Tode geprügelt. Klavdia kam ins Quarantäne-Lager. Bis heute vergisst sie die stundenlangen Zählappelle nicht. Später wurde Klavdia dem Baukommando zugeteilt. Zusammen mit anderen Mädchen und Frauen musste sie Gräben ausheben und Erde von einem Platz auf den anderen transportieren. Manchmal wurden sie gezwungen, dabei zu laufen. Nach einem Monat kam Klavdia in das Arbeitslager B. Viele ihrer Leidensgenossinnen aus Dneprodzeržinsk waren mittlerweile an Erschöpfung und Krankheiten gestorben. Klavdia steckte sich an und kam ins Lagerkrankenhaus, aus dem die Häftlinge direkt in die Gaskammer kamen. Im Revier arbeitete die ukrainische Ärztin Ljubov Alpatova, die die schwache Klavdia in einem anderen Zimmer vor einer Selektion versteckte und ihr so das Leben rettete.



Später wurde Klavdia wieder dem Baukommando zugeteilt. Jeden Tag wurden die Gefangenen zum Bau an der Eisenbahnlinie gezwungen. Der Weg zur Arbeitsstelle war lang und schwer. Entlang der Straße lagen Hunderte von zu Tode gequälten Häftlingen. Im Januar 1945 wurde das Lager evakuiert. Klavdia kam nach einem Transport in offenen Güterwaggons in dem KZ Ravensbrück an, von wo aus sie nach Bergen-Belsen deportiert wurde. „Das war die Hölle auf Erden“, sagt sie heute. Am Tag ihrer Ankunft sah sie Berge von Leichen. Da das Lager überfüllt war, wurde der Auschwitz-Transport bald wieder weiter geschickt. Die völlig erschöpften Frauen wurden in Viehwaggons nach Dresden, einem Außenlager von Flossenbürg, deportiert. In einer unterirdischen Fabrik wurden dort Messerschmitt-Kampfflugzeuge gebaut. Klavdia bekam die Nummer 62711 und musste an der Werkbank arbeiten.

Nach einem Luftangriff auf Dresden wurde das Lager evakuiert. Für Klavdia war es bereits der dritte Todesmarsch. Bei Königstein in der Nähe von Pirna wurde sie befreit. Sie wog nur noch 36 Kilogramm.







"Krim-Projekt"